Der Superintendent des Kirchenkreises Düsseldorf äußerte sich in einem Gastbeitrag in der Rheinischen Post zur Corona- Pandemie.
„Was kommt nach der Corona-Pandemie? Wir werden deutlich besser wissen, wie mobiles Arbeiten und Homeoffice einzuschätzen sind. Die Technik der Videokonferenz wird weit verbreitet bleiben. Vor allem werden wir ein umfassenderes Verständnis von Gesundheit haben. Der Abschiedsgruß am Telefon und per E-Mail – „Bleiben Sie gesund“ – verbreitet sich schneller als das Virus. Er ist ein Widerwort gegen dieses Virus. Bleiben wir gesund, wird nicht nur die Ausbreitung verlangsamt, auch unser Gesundheitswesen wird weniger belastet.
Bleiben Sie gesund: Die drei Worte haben es in sich. Die Corona-Pandemie hat uns alle angefasst. Sie wirft auf das Wesentliche zurück. Die Krise lässt klarer erkennen, was vorher schon deutlich war: Unser soziales Netz, Anerkennung und Ansehen tragen wesentlich zu Wohlbefinden und Gesundheit bei.
Unsere soziale Seite leben wir jetzt deutlich reduziert. Ein großer Teil geschieht in körperlicher Distanz und Trennung. Gerade in der Abwesenheit vieler unserer Lieben und Freunde nehmen wir ihre besondere Bedeutung für unser Leben wahr. Zugleich sind die alltägliche Betriebsamkeit und Hektik für viele heruntergefahren. Wir haben mit einem Mal Zeit, Beziehungen zu pflegen und alte Kontakte wieder aufzunehmen.„Bleiben sie gesund“, ist auch ein Versprechen. Was kann ich zur Gesundheit anderer beitragen? In diesen Tagen geschieht das zunächst in Respekt und Dankbarkeit. Das haben die Menschen verdient, die unseren reduzierten Alltag aufrechterhalten, die im Gesundheits- und Rettungswesen arbeiten oder in der Nahversorgung ihr Bestes geben. Es ist das Mindeste, das wir ihnen schulden. Beim Wort genommen reicht das Versprechen über die Krise hinaus. Unsere sozialen Kontakte sind breit gestreut. Mobilität und Internet ermöglichen es, Freundschaften über Landesgrenzen hinweg zu pflegen. Die Reisebeschränkungen schaffen die Möglichkeit, den näheren Umkreis kennenzulernen. Der Blick fällt auf die Menschen und Netzwerke im konkreten Umfeld. Die Pandemie ist die Stunde der Nachbarschaften und Quartiere. Konkrete Hilfe geschieht unspektakulär und verlässlich. Die neu geknüpften Beziehungen werden über den Tag hinaus bestehen.
Wir werden die Erfahrung auch an unsere Arbeitsplätze mitnehmen. Eine leistungsstarke Wirtschaft ermöglicht das gegenwärtige Vorgehen. In etlichen Branchen geht dennoch die Furcht vor Arbeitslosigkeit und Insolvenz um. Wie lange können wir uns das leisten? Covid-19 stellt über die Krise hinaus die Frage: Was ist eine gesunde Wirtschaft? Gesundheit in einem erweiterten Sinn wird Maßstab auch wirtschaftlichen Handelns werden. Die Orientierung am Gemeinwohl wird zunehmen.
Die Pandemie kennt keine Grenzen, sie findet überall auf der Welt statt. Das setzt den Horizont zukünftigen politischen Handels. Auch wenn gerade vor Ort konsequent Verantwortung übernommen wird, geschieht das im globalen Kontext. Beides erhoffe ich mir auch für die Zukunft, lokale Verantwortung in weltweitem Zusammenhang.
Und die Kirchen? „Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen.“ (Mk 2,27) Das gilt für Kirchen wie Gemeinden, sie existieren nicht um ihrer selbst willen. Zurzeit sind Gemeinden in der Nachbarschaftshilfe aktiv, in der Organisation von Telefonketten. Wir hören zu – gerade jetzt. Seelsorge gilt als die Mutterspreche der Kirche. Sie geschieht wie immer im Verborgenen – jetzt meistens am Telefon, gelegentlich im Netz. Da die Kirchen geschlossen sind, treten Gemeinden mit Andachten und Gottesdiensten in die Weite des Internets. Es geht um Zuversicht und Mut. Was im Raum der Kirche gut gehört werden kann, trifft im Netz nicht immer auf Verständnis. Es ist umso wichtiger, weiter dran zu bleiben und so in der Öffentlichkeit die eigene Stimme zu erheben.
„Bleiben Sie gesund“, heißt im biblischen Kontext: Friede sei mit Euch. So lautet der Gruß des auferstandenen Jesus an seine Freunde. Wir sind in diesen Wochen in der Passionszeit. Wir erinnern die Leidensgeschichte Jesu. Für Christen sind es tröstende und deshalb befreiende Geschichten. Das Tröstende: Am Ende seiner Leidensgeschichte spricht Jesus: Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen. Gott hält sich nicht aus der Wirklichkeit heraus, er hat sie erlebt und erlitten. Die Erfahrung der Gottferne hat Gott selbst gemacht. Gleiches gilt für die Gegenwart. Das Elend, das im Leiden der Kranken und Sterbenden, in den Zuständen in italienischen Krankenhäusern und auf Lesbos erfahren wird, ist Gottes Sache. Und das gebietet Ehrfurcht vor dem Leben, gerade vor dem verletzten und erniedrigten Leben. Das nimmt uns in Verantwortung und hilft mir, an den dunklen Seiten der Wirklichkeit nicht zu zerbrechen. Das Befreiende: Wir tragen nicht die Gesamtverantwortung. Wir tragen die Verantwortung in den Grenzen unserer Möglichkeiten. Nicht weniger. Die Corona-Pandemie hat erstaunliche Möglichkeiten aufgetan. Wir bleiben zu Hause. Das erweist sich seit Tagen als hilfreich bei der Bekämpfung des Virus und für die Umwelt.
Gesundheit ist die Kraft zu einem menschlichen Leben. Ich freue mich schon auf das Ende der Krise. Wir werden feiern und Lehren aus der Pandemie ziehen. Das Leben kann menschlicher werden.
Bleiben Sie gesund und Gott befohlen.
Ihr Heinrich Fucks